„Wo warst du gestern Abend?“, hörte sie die Stimme ihres Freundes.
„Was ist denn mit dir los?“ Emma fühlte, wie ihr Herz klopfte.
„Willst du mir ausweichen, oder tust du nur so?“ In seinem Ton schwang etwas Gefährliches. Emma wusste nicht, wie sie das einordnen sollte. Leise versuchte sie durchzuatmen, um sich ihre Verwirrung nicht anmerken zu lassen.
„Wieso meinst du, könnte ich das tun wollen?“
„Dann beantworte mir einfach die Frage!“, brummte er und raschelte mit einem Papier. Während dessen lief sie durch ihre Wohnung zur Sofaecke und setzte sich.
„Wie du weißt, sagte ich dir, dass die Schreibwerkstatt wieder anfängt und das war gestern Abend“ Emma schloss für einen Augenblick die Augen. ‚Was war nur mit Nick los‘, fragte sie sich. Erschrocken blickte auf. Es klickte. Totenstille.
„Was war das“, murmelte sie vor sich hin. Fassungslos saß sie in ihrem Sessel und schüttelte den Kopf. Sie legte den mobilen Teil des Telefons zur Seite und erhob sich. Als sie die Küche betrat, hörte sie, wie es an der Haustür klingelte. Sie lief in die Küche und öffnete die Balkontür, um zu sehen, wer unten stand.
„Ach Donna, mit dir habe ich nicht gerechnet“, rief sie ihrer Freundin zu. Sie eilte zum Türöffner. Balou stürmte die Treppe herauf und begrüßte sein Frauchen. Er setzte sich vor sie, schaute sie mit schiefem Kopf an und mit den Ohren wackelte er freudig, um ein Leckerchen zu erhaschen. Sie gab ihm eines und lächelte. Donna betrat Wohnung. „Hallo Emma, will dir Balou bringen“.
„Da bin ich besser dran.“
„Was ist los?“, fragte sie und hing ihre Jacke auf.
„Komm in die Küche, habe frischen Tee aufgesetzt“, sagte sie und ging voraus.
„Bei dieser Kälte nehme ich auch eine Tasse“ Donna folgte ihr und setzte sich an den Küchentisch.
„Wenn ich das wüsste, was los ist, wäre ich schlauer“, sagte Emma, während sie herumwirtschaftete. Sie seufzte laut.
„Du siehst aus, als sei dir ein Gespenst über den Weg gelaufen.“
„Eher in mein Ohr“, grinste sie halbherzig. „Dein Bruder hat eben angerufen, bevor du geklingelt hast. Sein Verhalten war seltsam.“
„Was hat er gesagt oder getan?“ Donna blickte sie interessiert an.
„Na ja, ich hatte mich kaum gemeldet, da fragte er, wo ich gestern war und als ich es ihm erklärte, legte er einfach auf“, berichtete sie. „Weißt du, bisher fühlte ich mich wohl mit ihm, wenn er da ist, und eine Zeit lang zehre ich daran“ Ihre Stimme wurde leiser. „Aber in letzter Zeit sehen wir uns seltener. Meine Muse zum Schreiben wird dadurch gehemmt.“ Emma stockte kurz und Tränen stiegen ihr in die Augen. „Das heißt, die Stille, wenn er nicht da ist, frustriert mich bisschen und fühlt sich tödlich für mein Schreiben an.“, endete sie und fing an zu weinen. Donna, die gegenübersaß und aufmerksam zuhörte, war erschüttert. Sie stand auf, ging zu Emma und nahm sie in die Arme. Eine Weile verging, ehe sie sich erholte und von der Umarmung löste.
„Was willst du tun?“, fragte sie behutsam.
„Außer geduldig bleiben und abwarten?“, seufzte Emma. „Was denkst du, welche Möglichkeiten ich habe?“
„Schau, dass du mit ihm sprichst. So, wie es zurzeit läuft, kann es unmöglich weiter gehen.“ Donna schüttelte den Kopf. „Du gefällst mir überhaupt nicht. Deine Stärke dein Selbstbewusstsein leidet darunter.“, sagte sie und setzte sich an ihren Platz zurück. Balou schaute zu beiden hoch und sein Schwanz wedelte aufgeregt.
„Ach mein Guter, du bist mir der Beste und immer aufmerksam, danke, dass du da bist, wenn ich dich brauche, du treuer Gefährte“, sagte Emma und streichelte ihn. Sie stand auf und goss sich eine weitere Tasse ein, schaute zu ihrer Freundin, um sie stumm zu fragen, ob sie auch noch eine wollte. Danach gingen sie ins Wohnzimmer, wo es gemütlicher war.
„Emma, du musst daran denken, dass Kyra kein Wissen über euch hat.“
„Eben, das ist das Problem. Kyra wird es kaum verkraften, wenn sie es jetzt oder später erfahren sollte. Sie ist und wird suizidgefährdet belieben“, erklärte sie und sah ihre Freundin offen an. „Mir geht es einfach darum, dass er weiß, was er will und mich nicht im Regen stehen lässt“, endete sie. Ein Handy piepte.
„Das ist deines.“ Donna reichte es ihr.
„Danke!“ Emma schaute auf das Display.
„Wenn man vom Teufel spricht, er schreibt, dass er auf dem Weg zu mir ist.“
„Oh je, dann ist es besser, wenn ich aufbreche“, meinte sie und ging zur Wohnungstür, um ihre Jacke und Schuhe anzuziehen. Die beiden Frauen verabschiedeten sich und versprachen einander sich zu melden. Es war bereits über eine halbe Stunde vergangen und Nick war noch immer nicht da. ‚Was mag passiert sein‘, fragte Emma sich, als sie den Fernseher einschaltete. Sie holte eine Decke hervor und kuschelte sich auf das Sofa. Balou kam und legte sich hinter ihr ab. Sie lauschte den Worten der Reportagen und schloss die Augen, um zu ruhen. Kurze Zeit später erwachte sie und bemerkte, dass es draußen dunkel geworden war. Sie stellte fest, dass noch keine Nachricht von Nick eingegangen war. Sie merkte, wie ihr Herz unruhig schlug und ihre Beine anfingen zu zittern. Als sie auf den Flur trat, hörte sie eine SMS eingehen. Die Anzeige zeigte ihr, dass es Nick war, der ihr geschrieben hat.
„Ach du Scheiße“, stieß sie halblaut hervor, betätigte den Knopf, um zu wählen, lauschte. Sie lief beunruhig hin und her.
„Der Teilnehmer ist zurzeit nicht erreichbar“, erklang eine Frauenstimme. ‚Mist, dass ich nichts machen kann‘, dachte sie, als sie ihr Handy weglegte. Sie kuschelte sich wieder in ihre Decke und nahm ihr Buch. Um sich abzulenken, las sie, bis sie müde wurde.
Am nächsten Morgen wachte sie erschöpft auf.
„Bin ich froh, dass die Nacht vorbei ist“, murmelte sie und schlüpfte in ihre Hausschuhe. Während sie sich frisch gebrühten Kaffee eingoss, piepte ihr Handy und sie sah auf dem Display, das ein Anruf eingegangen war. Es war Donna, die sie versuchte zu erreichen. Sie wählte ihre Nummer.
„Hallo Emma, wie geht es dir heute?“
„Danke soweit bin ich okay. Was ist mit deinem Bruder?“, fragte sie entgegen und umgriff ihre warme Tasse.
„Der hatte gestern Abend einen Unfall, ist nur Blechschaden, aber er musste über Nacht ins Krankenhaus zur Beobachtung.“
„Besuchen kann ich ihn nicht, denke, dass Kyra bei ihm sein wird. Also werde ich warten, bis er sich meldet“, sagte sie bedrückt.
„Tut mir leid Mädel. Aber du weißt, alles wird gut.“
„Wenn es nicht dramatischer wird, als es im Moment ist“, witzelte sie. „Er schickte mir am späten Abend eine Nachricht, ohne jedes weitere Wort und ich fühlte, das was ist. Warum hat er so wenig vertrauen zu mir?“
„Hey, lass dich drücken meine Starke, du klingst deprimierter“, sagte Donna und Emma hörte, wie sie eine Tür schloss. Sie verabschiedete sich und versprach sich später zu melden. Emma schenkte sich Kaffee nach und ging ins Arbeitszimmer. Auf dem Weg nahm sie ein Handysignal wahr. Sie schaute auf die Anzeige und las: „Hi Emma, komme gegen Abend zu dir. Lg Nick“. Erleichtert legte sie das Mobiltelefon auf das Sideboard und setzte sich an den Schreibtisch, um mit der Arbeit zu beginnen.
Am Tagesende wartete sie, dass Nick kam. Sie bereitete ein Abendessen vor und lauschte der Musik. Sie deckte den Tisch und zündete Kerzen an. Als sie zum Herd gehen wollte, blieb sie im Flur stehen und sah den Schatten eines Mannes vor der Tür stehen. Ihr Hund tänzelte vor der Wohnungstür und jaulte freudig, weil er merkte, dass jemand kam, den er kannte. Stürmisch begrüßte er Nick, als er eintrat. Emma zog sich zurück, um das Nudelgericht auf Teller zu füllen. Nachdem er Balou einen Keks zugesteckt hatte, ging er zu seiner Geliebten und küsste sie.
„Komm, lass uns reingehen, sonst wird alles kalt“, forderte sie ihn auf. Sie setzten sich einander am Esstisch gegenüber und fingen an zu essen.
„Was ist mit dir los, Nick?“ Emma legte ihr Besteck zur Seite und schaute ihn direkt an. Sie sah, dass er nervös war und im Essen herumstocherte.
„Wollte vorgestern zu dir kommen, es machte mir aber niemand auf“, begann Nick und trank einen Schluck. „Ich dachte, wir könnten miteinander reden und Spaß haben“, fuhr er fort. „Dass ich gestern Abend am Telefon unwirsch war, tut mir leid“, schloss er und blickte sie entschuldigend an. Emma nahm seine Hand und drückte sie.
„Über was wolltest du mit mir sprechen?“, hackte sie nach.
„Wie du weißt, kann und werde ich Kyra nicht verlassen“, fing er behutsam an. „Auch du hast in meinem Leben einen Platz. Deshalb will ich dich nach deinen Zukunftsplänen fragen.“
„Du hast mich mit deinem Anruf verwirrt, Nick“, sagte sie zittrig. Einige Minuten schwieg sie. „Schatz, wir haben bisher wunderbare Zeiten miteinander verbringen können und dürfen. Ich fühle mich geborgen, wenn du hier bist.“ Sie schaute im tief in die Augen. „Aber, sobald du weggehst, ist es unendlich still. In diesen Augenblicken komme ich mir verlassen und leer vor“, räusperte sie sich. Es verging eine Weile. „Was ich dir damit sagen möchte, ist, dass ich mich vor Langem in dich verliebt habe, dass ich dich liebe, obwohl ich weiß, dass das nicht sein darf. Dennoch erhoffe ich mir eine Zukunft mit dir, als mein Partner“, kam es aufgeregt aus ihr heraus. „Willst du der Mann in meinem Leben werden?“ Die Frage stand im Raum. Schweigen. Nick verließ seinen Platz und setzte sich zu Emma. Er nahm sie in seine Arme. „Aua, dass tut weh“, raunte er ihr ins Ohr.
„Ich will nur, dass du weißt, wo du dran bist“, flüsterte sie. Schweigsam hingen sie ihren Gedanken nach.
„Wir werden es vorerst weiter so laufen lassen müssen. Mehr kann ich dir im Moment nicht zugestehen.“ Er blickte sie traurig an. Über Emmas Wangen flossen Tränen. Nick umschloss sie ein wenig fester und versuchte sie zu beruhigen, in dem er ihr über den Rücken streichelte. Er reichte ihr ein Taschentuch. „Weißt du, ich wünschte, wir hätten uns weitaus früher kennenlernen können. Dass sich unsere Lebenswege erst vor einigen Jahren gekreuzt haben, ist wirklich schade, aber ich denke, wir sollten es nehmen, wie es ist.“
„Ergeht mir genauso, Nick. Oft denke ich, wenn wir mehr Zeit miteinander haben könnten, um uns näher zukommen“, schluchzte sie und drückte sich an ihn. Er schaute auf die Uhr. „Mist!“, sagte er. „Ich muss gehen, werde zu einem Termin erwartet. Tut mir leid Schatz.“
„Mir auch! Melde dich, damit ich weiß, dass du sicher angekommen bist“, bat sie ihn und begleitete ihn zur Tür.
„Es ist deine Entscheidung, Nick. Verstehe mich nicht falsch. Ich mache mir keine Sorgen um uns, eher um Kyra. Was, wenn sie sich was antut?“
„Pst“, legte er ihr den Finger auf den Mund. „Meinen Entschluss habe ich bereits gefasst und alles Weitere lassen wir auf uns zukommen“, sagte er und ging.
Einige Wochen später. Sie hatte in der Zwischenzeit kaum was von Nick gehört oder gelesen. Er kam eines abends mit einem großen Rosenstrauß. Verdutzt schaute Emma ihn an, als sie ihm die Wohnungstür öffnete. „Habe doch keinen Geburtstag“, sagte sie und ließ ihn herein.
„Besondere Anlässe brauchen was Ausgefallenes“, strahlte er, als er an ihr vorbei ging.
„Aha, na da bin ich gespannt“, lächelte sie und folgte ihm ins Wohnzimmer. Nick drehte sich zu ihr und gab ihr einen Kuss zur Begrüßung. Dann kniete er sich vor sie nieder und blickte sie ernst an. „Als ich das letzte Mal bei dir war“, fing er an zu stottern. „Fragtest du mich, ob ich dein Mann werden will“, er räusperte sich. „Heute komme ich, um meiner starken intelligenten Frau zu sagen: Ja, ich will!“ Sprachlos stand Emma vor ihm. Er sah, wie überrascht sie war, und erhob sich. Er reichte er ihr den Strauß und küsste sie leidenschaftlich. Tränen der Freude liefen über ihre Wangen und sie hielt beide fest, Nick und den Blumenstrauß.
„Nun wird die Stille nicht mehr tödlich sein“, flüsterte sie.
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